Matthias Körner — Galerie Haus 23, Cottbus, 2011

Diesmal, gebe ich zu, ist es mir nicht besonders leicht gefallen, ein paar Sätze zu Agnes Siodas Bildern zu schreiben. Handelt es sich doch um eine Malerei, der schon beim bloßen Betrachten kaum mit Worten beizukommen ist.

Es gibt ja bekanntlich so viele Wege sich an ein Bild heran zu arbeiten wie es Maler gibt. Der von Agnes Sioda begangene Weg, ist keineswegs einer, der für den späteren Betrachter leicht ist, obwohl ihre Arbeiten so scheinbar leicht daher kommen.

Wegen ihres fast völligen Verzichts auf das so hilfreiche Zitieren von Dingen, also auch auf das frühzeitige Festlegen auf einen beschreibbaren Inhalt, bleibt diese Art der Malerei so offen und in die unterschiedlichsten Richtungen deutbar, dass man beim Schauen ebenso offen sein muss, wie die Malerei selbst.

Agnes Sioda, 1965 in Jena geboren, hat die 90er Jahre in Berlin verbracht. Dort hat sie auch Kunst studiert und hat kürzlich, nach 10 Jahren Paris und einem kurzen Zwischenstopp in New York, ihre Mitte wieder in Berlin gefunden. Sie hat alte Kontakte neu belebt, wie zum Beispiel zu unserer Galerie und neue geknüpft. Und radelt mehrmals in der Woche, in aller Frühe am Kanal entlang, was ihr die Großstadt erträglich macht.

Mitte der 90er Jahre gab es ja bereits eine Ausstellung von Agnes in unserer Galerie. Damals zeigte sie eher kleinformatige Malereien auf Papier. Vielleicht erinnert sich der Eine oder Andere von Ihnen noch daran.

Auch heute nun gibt es wieder viele eher kleinformatige Bilder, aber auch einige große. Ich denke da besonders an die großen Leinwände im unteren Raum, die in ihrer Dichte und Intensität den kleinen nicht nachstehen. Manchmal braucht´s einfach ein großes Format um sich ein Gegenüber zu schaffen, in das man regelrecht eintauchen kann. Wenn Sie sich ganz dicht an das große, grüne Bild heranbewegen, werden sie spüren, wie sehr dieses Sie plötzlich umfängt, und wie Sie, Sie in der richtigen Stimmung sind, regelrecht eins werden können mit diesem Geviert. Ähnlich ist es mir manchmal schon ergangen beim Betrachten von großen Bildern von Mona Höke zum Beispiel, oder manchen, noch viel größeren, von Cy Twombly.

Der Versuch, die Bilder von Agnes Sioda zu verstehen, ist gleich dem Versuch, das Lied eines Vogels, oder das Rauschen des Windes zu verstehen. Agnes Sioda zaubert sich und uns hier eine Welt mit Bildern, die keine Botschaft, keinen verschlüsselten Weltschmerz und keine Belehrungen enthalten. Eine Welt aus Bildern, die das Ergebnis von hellwachem Denken und tiefer Intuition sind. Eine Welt aus Bildern, die bei näherer Betrachtung so vielschichtig ist, wie das Leben selbst.

Da gibt es einerseits ganz reduzierte Blätter, die an kleine Capricen von Paganini oder Lola erinnern, kleine Blätter in schwarz und weiß, wie hingehaucht manchmal, wie aus einem Guss ein anderes Mal.

Und dann gibt es welche, aus einem mäandernden Geflecht von Linien, wie Bach´sche Fugen. Geschichtete und ineinander fließende Schwünge wechseln mit aufrechten Geraden, matt weiße Tupfer ordnen sich zu gebrochenen Flächen, zartes Grau zu sattem Schwarz. Immeraber ist alles in eine faszinierende Ordnung gebracht, die der inneren Ordnung der Künstlerin entspricht.

Vielleicht ist der Vergleich von Agnes´ Bildern mit Musikstücken, der Künstlerin gar nicht so recht. Ich weiß es nicht. Mir jedenfalls kommt er sehr nahe. Diese Art von Malerei, die jedweder Prosa entbehrt, eher lyrisch anmutet, benutzt eine ähnliche Sprache, wie sie auch die Musik benutzt: eine Sprache, die sich jeder verbalen Erschließung verweigert.

Ich wüsste nicht, jemals so großformatige Monotypien gesehen zu haben, wie sie heute hier in den oberen Räumen zu sehen sind. Nur, wenn man als Maler das Grundlegende einer grafischen Komposition längst verinnerlicht hat kann man sich auf diese Technik einlassen.
Aber auch dann ist der Ausgang immer noch offen.

Agnes sieht bei dieser Arbeitsweise nämlich nicht was sie macht, jedenfalls nicht genau. Das Ganze geht etwa so: Sie walzt eine Glasplatte mit Farbe ein, legt anschließend vorsichtig ein Papier darauf und zeichnet nun mit einem Werkzeug oder mit dem Finger oder gar mit allen Fingern und manchmal auch mit der ganzen Hand, auf der Rückseite eben jenes Papiers. Je größer der Druck, den sie dabei ausübt, umso stärker überträgt sich die Farbe von der Platte auf das Papier. Und je größer die Formate, umso schwieriger ist es für sie, den Rhythmus zu finden, der am Ende das Blatt ausmachen soll.

Agnes Sioda hat längst ihren Rhythmus gefunden. Wie von selbst setzen sich hier Linien Kringel und Tupfer zu einem Ganzen zusammen. Und dieses Geflecht aus Schwarz und Weiß birgt am Ende einen Rhythmus, der, wie gesagt, sonst eher nur in Musikstücken zu finden ist.

Wandern Sie also durch diese Ausstellung, wie durch eine ständig wechselnde Landschaft. Manchmal undeutlich, wie vernebelt, manchmal offen, wie weites Feld, manchmal wie verschneit. Manchmal wie verstrickt in undurchdringlichem Gestrüpp, manchmal wie spätabends oder kurz vor Sonnenaufgang. Sie werden Ihre Freude haben.

Und falls sie meinen, dass das eine oder andere Blatt auch so ganz Ihrer eigenen inneren Ordnung, oder Ihrem Gefühl entspricht, erwerben sie es doch einfach. Sie werden es nicht bereuen.

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Cottbus, November 2011
Matthias Körner

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